Es gibt keine Superfoods, nur Superkombos. Wie Sie die richtige für sich finden…
Magische Nahrungsmittel, die einem die ewige Jugend erschließen, faszinieren die Menschen seit Urzeiten.
Für die Griechen war es die Götterspeise Ambrosia. Mit ihr bügelte die Göttin Athena die Falten der alternden (Sterblichen) Penelope weg, und sanierte sie zu einem Männermagneten. So jedenfalls lesen wir es in den Gedichten von Homer.
Heute dichtet eine milliardenschwere Industrie ihren Nahrungsergänzungmitteln ambrosianischen Kräfte an.
Flavonoide: ein Wundermittel?…
Das derzeitige Lieblingskind der Industrie sind Flavonoide, eine Unterklasse der so genannten Polyphenole.
Flavonoide stecken in allen Obst- und Gemüsesorten, denen sie ihre Farben geben, aber auch in Kakao, Tee, Kaffee und Rotwein.
Seit ihrer Entdeckung vor 90 Jahren wissen wir, dass eine Flavonoid-reiche Kost mit längerer Gesundheits- und Lebenserwartung einhergeht [1].
Diese Korrelation schrieb man bis vor Kurzem der antioxidativen Kraft der Flavonoide zu.
Und so kam die Industrie auf die Idee, Flavonoide in profitable Pillen und Pülverchen zu packen, die Schutz vor vorzeitiger Alterung, oxidativen Schäden, Krebs und anderen Krankheiten versprechen.
… “Etikettenschwindel”, sagt die EFSA
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, EFSA), stellt fest, dass es keine belastbaren Beweise für eine kausale Beziehung zwischen der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und den versprochenen gesundheitlichen Wirkungen gibt.
Zu Recht, denn wenn man sich die Forschungsergebnisse genauer anschaut, entdeckt man…
Erstens, (fast) keine direkte antioxidative Wirkung, denn…
In Petrischalen im Labor haben Flavonoide zwar tatsächlich eine starke antioxidative Wirkung, ABER…
…was sich in einer Petrischale (in vitro) abspielt, unterscheidet sich oft erheblich von dem, was in einem lebenden Organismus (in vivo) passiert.
Heute wissen wir, dass Flavonoide kaum als intakte bioaktive Moleküle in den Blutkreislauf gelangen [2].
Dort müssten sie aber ankommen, um ihre antioxidative Wirkung zu entfalten.
Wenn Sie ein Glas Orangensaft trinken, flutet dessen Vitamin C mehr antioxidativen Wumms ins Blut, als ein überteuertes Flavonoidpräparat jemals liefern kann. Nicht mal in Überdosis.
…das eigentliche Ziel der Flavonoide ist das Mikrobiom
Als Mikrobiom des Verdauungstraktes bezeichnet man die Gesamtheit der Bakterien, die in unserem Verdauungssystem leben. Sie verstoffwechseln Flavonoide so gründlich, dass nur ein sehr geringer Anteil durch die Darmwände in den Blutkreislauf gelangt.
Das ist nicht verwunderlich, denn dieses Microbiom hat knapp 1000 unterschiedliche Rezeptoren für Flavonoide [3]. Was mit den Stoffwechselprodukten geschieht, ist allerdings noch weitgehend unbekannt.
Um die Komplexität in Zahlen zu verdeutlichen:
Von den rund 5000 bekannten Flavonoiden, sind ca. 1000 relevant für den menschlichen Organismus. Diese 1000 sind an der Regulierung von knapp 4000 Protein Funktionen beteiligt.
Die allerdings sind noch eine Black Box für die Wissenschaft.
Wir wissen nur, dass ein Großteil dieser Funktionen dem Schutz vor Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs und Stoffwechselkrankheiten (z.B. Diabetes) dient.
Mit so wenig Wissen, spezifische Gesundheitsversprechen auf ein Etikett zu drucken, ist schon sehr forsch.
…Vollwertkost schlägt Nahrungsergänzungsmittel
Eine kürzlich durchgeführte Meta-Analyse kam zu dem Schluss, dass die Supplementierung mit Flavonoiden keinen Nutzen hat.
Die bessere Option, für die es auch genügend Evidenz gibt ist, sich möglichst viel Flavonoide über eine ausgewogene Vollkosternährung zu gönnen [4].
Das sollte keine Überraschung sein. Zumindest nicht aus evolutionärer Sicht. Unsere Urahnen kannten keine Supplemente. Die aßen Äpfel, Kraut und Rüben. Und zwar immer ganz.
Aber auch aus dieser Einsicht haben selbsternannte Gesundeheitsgurus was profitables gestrickt:
Superfoods
Superfoods sind die gleichen Steißgeburten wie die Supplemente.
Denn im Grunde genommen haben die meisten Lebensmittel einen hohen Anteil an ein oder zwei Mikronährstoffen und einen niedrigen an vielen anderen (wie wir gleich sehen werden).
Mit ihrem Verweis auf die ausgewogene Vollkosternährung sagt die Wissenschaft nichts anderes, als dass es auf die richtige Kombination der Lebensmittel ankommt.
Aber „Superfood“ verkauft sich halt besser als „ausgewogen“.
Deshalb darf man den Marketingexperten auch mal ihre Tricks abgucken. Und so kam ich auf…
Super-Kombos vs. Super-Foods
Eine Super-Kombo ist quasi eine wilde (Viel-)Ehe zwischen einzelnen Nahrungsmitteln, deren Nährstoffe zusammengenommen einen definierten Gesundheitszweck erfüllen sollen.
Zum Beispiel die Verlangsamung der Gefäßalterung.
Schließlich wissen wir seit mehr als hundert Jahren, dass der Mensch so alt ist, wie seine Gefäße [5].
Genau dazu eigenen sich die Flavonoide hervorragend.
Deren Untergruppen sind aber so ungleichmäßig über Obst und Gemüse verteilt, dass es sich lohnt über Team-building nachzudenken.
Dieses Team-building ist nicht schwer. Glücklicherweise führt das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) eine detaillierte Liste von Obst und Gemüse und ihren Flavonoiden.
Aus denen habe ich mir zunächst jene Obstsorten ausgesucht, die in mindestens einer Untergruppe mit Spitzenwerten glänzen.
Die obige Grafik zeigt, (a) dass die meisten Obstsorten jeweils nur in einer Klasse gut abschneiden, nicht aber in den anderen, und (b) dass man schon mit einem kleinen Team gängiger Sorten fast das komplette Spektrum an Flavonoiden abdecken kann.
Vergleichen Sie diese Grafik mit der für Gemüse.
Vielleicht überrascht es Sie genauso wie mich: Obst scheint ein besserer Lieferant von Flavonoiden zu sein als Gemüse.
Mir ist das recht. Meiner generellen Abneigung gegen den Geschmack von Gemüse kommt eine obstlastige Kombo sehr entgegen.
Und jetzt kommt der Diät-Hack (endlich)
Mixen Sie Ihre Lieblingskombination zu einem ‚Smoothie-satt‘, und machen daraus ein tägliches Frühstück.
Der Vorteil:
- Sie erfüllen „ausgewogen“,
- Sie erschlagen Ihren Flavonoid Bedarf in einer Mahlzeit…
- …egal, was Sie sonst noch essen am Tag.
Meinen persönlichen Rejuvenation-Smoothie habe ich in einem anderen Beitrag beschrieben.
Nun höre ich schon die verschnupften Kommentare der Gesundheitsgouvernanten:
…so einfach kann man es sich doch nicht machen, etc., etc.
Doch, man kann.
Es ist allemal besser als Diäten, die keiner durchhält.
Und es erspart die tägliche Detektivarbeit für „ausgewogene“ Ernährung–die ja auch kaum einer durchhält (sonst wären nicht zwei Drittel der erwachsenen Deutschen chronisch krank).
Meine Frau und ich genießen diesen Super-Smoothie (ja, der schmeckt wirklich gut) nun schon seit 11 Jahren. Und zwar jeden Tag.
Außer im Urlaub, wo wir ruhigen Gewissens am Frühstücksbuffet „sündigen“.
Unsere Gefäßfunktion bescheinigt uns, biologisch deutlich jünger zu sein, als was in unseren Geburtsurkunden steht.
Wir sind jenseits der 60 – keine Herz-Kreislauf-Erkrankungen, kein Krebs, kein Diabetes, keine verschreibungspflichtigen Medikamente.
Das ist wahrscheinlich nicht nur dem Super-Smoothie zu verdanken, aber er ist sicherlich hilfreich.
Zwei Vorbehalte:
- Mein Smoothie-Rezept enthält ein paar weitere Zutaten, die Sie im Blog Post finden.
- Meine Auswahl an Obst und Gemüse ist auf die Gefäßfunktion ausgerichtet.
Zwei Anmerkungen
Erstens, für andere Gesundheitsziele, wie die Vermeidung von Diabetes, Hypertonie oder anderen, lassen sich spezielle Sumper-Kombos finden.
Denen werde ich einige der nächsten Blog Posts widmen.
Zweitens, das Nährstoffspektrum besteht nicht nur aus Flavonoiden. Aber auch über diese Partner der Super-Kombos werden Sie in den nächsten Posts mehr erfahren.
Oh, und noch etwas:
Es wäre natürlich hilfreich, wenn Sie die Auswirkungen Ihrer Super-Smoothies auf Ihr biologisches Alter, Ihren Blutdruck, oder andere relevante Vitalparameter täglich beobachten könnten.
Denn im Gegensatz zu den griechischen Göttern müssen Sie Ihr Ambrosia auf Ihre persönliche Veranlagung abstimmen.
Wie Sie das auch als Laie und von zuhause, erfahren Sie nächste Woche.
Schreiben Sie mir, wenn Sie Fragen haben
Referenzen
[1] DelBo C, Bernardi S, Marino M, Porrini M, Tucci M, Guglielmetti S, et al. Systematic Review on Polyphenol Intake and Health Outcomes: Is there Sufficient Evidence to Define a Health-Promoting Polyphenol-Rich Dietary Pattern? Nutrients 2019;11:1355.
[2] Ghosh D, Scheepens A. Vascular action of polyphenols. Mol Nutr Food Res 2009;53:322–31. doi:10.1002/mnfr.200800182.
[3] Lu MF, Xiao ZT, Zhang HY. Where do health benefits of flavonoids come from? Insights from flavonoid targets and their evolutionary history. Biochem Biophys Res Commun 2013;434:701–4. doi:10.1016/j.bbrc.2013.04.035.
[4] Potì F, Santi D, Spaggiari G, Zimetti F, Zanotti I. Polyphenol Health Effects on Cardiovascular and Neurodegenerative Disorders: A Review and Meta-Analysis. Int J Mol Sci 2019;20:351. doi:10.3390/ijms20020351.
[5] Weber T, Mayer CC. “Man Is as Old as His Arteries” Taken Literally: In Search of the Best Metric. Hypertension 2020;76:1425–7. doi:10.1161/HYPERTENSIONAHA.120.16128.