Die Erkenntnis:
100 bis 166 Beschäftigte müssen Sie in einen Bewegungskurs bringen, um einen einzigen Herzinfarkt innerhalb der nächsten 10 Jahre zu verhüten.
Warum ist das wichtig?
Diese Number Needed to Treat (NNT) offenbart die Ineffizienz one-size-fits-all basierter BGF Maßnahmen.
Die Lösung
Individualisierte Lebensstilmedizin zum Selbermachen statt Kurse und Interventionen nach dem Gießkannenprinzip.
- Gesundheitliche Eigenkompetenz und Eigenverantwortung steigern außerhalb des Betriebs
- Personalkosten vermeiden (für Kurs-bedingten Arbeitszeitausfall)
Wirtschaftlicher Hintergrund
An den lebensstilbedingten chronischen Erkrankungen versterben jährlich rund 90 TSD Bundesbürger im arbeitsfähigen Alter zwischen 25-64 Jahren. Damit gehen der deutschen Wirtschaft jedes Jahr mehr als 500 TSD produktive Arbeitsjahre verloren [1]. Hinzu kommen die den chronisch erkrankten Beschäftigten zuzuschreibenden Produktivitätseinschränkungen und Arbeitsunfähigkeiten.
Dass betrieblich organisierte Lifestyle Interventionen das Risiko für die chronischen Erkrankungen verbessern können ist unbestritten [2]. Allerdings lassen alle großen Studien, die nicht von Kursanbietern gefördert wurden, kurzfristig (bis 18 Monate) keine signifikanten Verbesserungen “harter Kennzahlen” des Geldwertes erkennen, wie Arbeitsunfähigkeit, Entgeltfortzahlungen und Produktivität [3]. Das verhindert die Ermittlung des Return on Investment (ROI) für präventive BGF Maßnahmen.
Eine simple Kennzahl veranschaulicht, woran das liegt: die Number Needed to Treat (NNT). Sie beantwortet die Frage, wie viele Teilnehmer in eine Intervention aufgenommen werden müssen, um bspw. ein einziges Herz-Kreislaufereignis in den nächsten 10 Jahren zu vermeiden.
Eine Beispielrechnung
Die NNT ist der Kehrwert der absoluten Risikoreduktion (ARR)
NNT = 1/ARR
Veranschaulicht am konkreten Beispiel Deutschlands größter betrieblicher Studie zur BGF – der Boehringer-Ingelheim Studie [4] – und unter Zugrundelegung des für die deutsche Bevölkerung entwickelten PROCAM Risiko Scores.
- ARR: Verringerung des absoluten 10-Jahres Risikos (PROCAM) für Herz-Kreislaufereignisse um 1%, von 2,3% auf 1,3% in der Boehringer-Ingelheim Belegschaft
- NNT = 1/0.01 = 100
Um also ein Herz-Kreislaufereignis in der Belegschaft innerhalb der kommenden 10 Jahre zu vermeiden, müssten rund 100 Beschäftigte mit einem herkömmlichen Interventionsprogramm bedient werden. In der BP Europe Studie betrug die NNT für eine 12-Monate Intervention sogar 166 [5].
Allerdings präsentieren Fachartikel nie die NNT, sondern die beeindruckendere relative Risikoreduzierung [6], die im Beispiel der Boehringer-Ingelheim Studie bei über 40% lag.
Vorsicht bei Renditeangaben von Referenzstudien
Die Autoren von Studien zur Wirksamkeit von BGF-Maßnahmen präsentieren regelmäßig so-genannte Kosten-Nutzen-Analysen, die vorgeben, die Wirtschaftlichkeit betrieblicher Gesundheitsförderung zu bewerten. Die ermittelten Kosten-Nutzen-Verhältnisse liegen zwischen 1:2 und 1:19, was Renditen von 100% bis 1,800% entspricht
Dass solche Renditen nicht marktüblich sind, weiß jeder Unternehmer, und sollte deshalb die Aussagekraft dieser Berechnungen in Frage stellen.
Genau das geschah im Rahmen eines vom BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) geförderten Forschungsprojekts namens ReSuM [7]. Dabei stellte man fest, dass die angewandten Analysen nicht ausreichen, um diese wundersame Geldvermehrung zu belegen. Die Auswirkungen eines BGF-Programms auf die Gesundheit der Mitarbeiter genau zu messen und mit Geld zu bewerten, ist eben nicht nur schwierig, sondern auch fehlerbehaftet, wenn dabei bspw. Opportunitätskosten unberücksichtigt bleiben.
Diese hyperoptimistischen Darstellungen versperren den Blick auf den eigentlichen Hebel für eine effizientere und wirksamere BGF: die Individualisierung der präventiven Maßnahmen.
Die Notwendigkeit zur Individualisierung leitet sich ausgerechnet aus jenen Studien ab, mit denen BGF-Dienstleister die Allgemeingültigkeit ihrer Kurse und Interventionen anpreisen [8] [9]. Denn unter den als Mittelwerte veröffentlichten Interventionseffekten verbergen sich erhebliche inter-individuelle Differenzen, die das gesamte Spektrum von sehr wirksam bis nutzlos oder gar abträglich abdecken [10] (siehe Abb. 1).
Abb. 1
Somit beantworten diese Studien zwar sehr zuverlässig die Frage, welche Wirkung eine konkrete Intervention in einer definierten Zielgruppe hat, nicht aber die Frage, die sowohl den Nutzer als auch den Zahler der BGF interessiert: welche Intervention hat bei einem konkreten Beschäftigten die gewünschte Wirkung.
Diese Frage kann jeweils nur eine klinisch valide N-of-1 Studie beantworten.
Deshalb machen wir mit LiLo genau diese Methode laientauglich. N-of-1 ist der Goldstandard der experimentellen Einzelfallforschung, wobei das “N” für die Zahl der Studienteilnehmer steht.
Anstatt also starre Bewegungs- oder Essverhalten vorzugeben, steuert LiLo den Nutzer zu den mit seiner Erbanlage harmonierenden Gesundheitsverhalten (z.B. Bewegung, Ernährung).
Nur diese Individualisierung wird der Erkenntnis gerecht, dass die vermeidbaren chronischen Erkrankungen einer Fehlanpassung des individuellen Gesundheitsverhaltens an die jeweilige Erbanlage geschuldet sind [11].
Gleichzeitig wird berücksichtigt, dass diese Verhalten vorrangig in der außerbetrieblichen Lebenswelt stattfinden, in der jeder Beschäftigte mehr als 80% seiner Zeit verbringt.
Mit diesem unorthodoxen, aber Evidenz-basierten, Gegenentwurf zur herkömmlichen Präventionsmedizin lassen sich erhebliche Effizienzgewinne für die BGF realisieren:
- Priorisierung der gesundheitlichen Eigenkompetenz und -verantwortung
- Entbehrlichkeit von on-site Kursen und Coaches
- Vermeidung von Arbeitszeitverlusten (für Kurs-bedingte Arbeitszeitausfälle)
- Quantitative Wirksamkeitskontrolle und -steuerung
- Konfektionierbarkeit für betrieblich relevante Krankheitszustände (z.B. Stress & Depression, metabolisches Syndrom, Übergewicht, Hypertonie, (Prä-)Diabetes)
Anlage:
Referenzen
[1] OECD/EU 2016. Health at a Glance: Europe 2016 – State of Health in the EU Cycle. OECD Publishing; 2016. doi:10.1787/9789264265592-en.
[2] Nieste I, Franssen WMA, Spaas J, Bruckers L, Hans HC, Savelberg M, et al. Lifestyle interventions to reduce sedentary behaviour in clinical populations : A systematic review and meta-analysis of different strategies and effects on cardiometabolic health. Prev Med (Baltim) 2021;148:106593. doi:10.1016/j.ypmed.2021.106593.
[3] Song Z, Baicker K. Effect of a Workplace Wellness Program on Employee Health and Economic Outcomes: A Randomized Clinical Trial. JAMA – J Am Med Assoc 2019;321:1491–501. doi:10.1001/jama.2019.3307.
[4] Kempf K, Martin S, Döhring C, Dugi K, Haastert B, Schneider M. The Boehringer Ingelheim employee study (Part 2): 10-year cardiovascular diseases risk estimation. Occup Med (Chic Ill) 2016;66:543–50. doi:10.1093/occmed/kqw084.
[5] Schaller N, Blume K, Hornig M, Senker L, Wolfarth B, Schuster T, et al. Occupational life-style programme over 12 months and changes of metabolic risk profile, vascular function, and physical fitness in blue-collar workers. J Occup Med Toxicol 2023;18:1–8. doi:10.1186/s12995-023-00370-w.
[6] Elliott MH, Skydel JJ, Dhruva SS, Ross JS, Wallach JD. Characteristics and Reporting of Number Needed to Treat, Number Needed to Harm, and Absolute Risk Reduction in Controlled Clinical Trials, 2001-2019. JAMA Intern Med 2021;181:282–4. doi:10.1001/jamainternmed.2020.4799.
[7] Gloede D. Betriebliche Gesundheitsförderung und wirtschaftliche Effizienz – Entwicklungsstand und Perspektiven der Wirtschaftlichkeitsevaluation in der Präventionsforschung – 2010;1198.
[8] Rodgers GP, Collins FS. Precision Nutrition—the Answer to “What to Eat to Stay Healthy.” JAMA 2020;324:735–6. doi:10.1001/jama.2020.13601.
[9] Dawson EA, Sheikhsaraf B, Boidin M, Erskine RM, Thijssen DH. Intra-individual differences in the effect of endurance vs. Resistance training on vascular function: a cross-over study. Scand J Med Sci Sports 2021. doi:10.1111/sms.13975.
[10] Juraschek SP, Miller ER, Weaver CM, Appel LJ. Effects of Sodium Reduction and the DASH Diet in Relation to Baseline Blood Pressure. J Am Coll Cardiol 2017;70:2841–8. doi:10.1016/j.jacc.2017.10.011.
[11] Kraushaar LE, Bauer P. Dismantling Anti-Ageing Medicine: Why Age-Relatedness of Cardiovascular Disease is Proof of Robustness Rather Than of Ageing-Associated Vulnerability. Hear Lung Circ 2021;30:1702–9. doi:10.1016/j.hlc.2021.05.105.